Die “Väter” der Raumfahrt

Die vielleicht wichtigste Leistung der vier “Väter” der Raumfahrt bestand in der Erkenntnis, welche Bedeutung das Rückstoßprinzip und insbesondere Raketen mit flüssigen Treibstoffen als Transportmittel in den Weltraum haben.

Konstantin Ziolkowski

Der russische Lehrer Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski (1857-1935) stellte 1897 - völlig unbeachtet von der Öffentlichkeit - die Raketengrundgleichung auf und veröffentlichte sie zusammen mit weitergehenden Überlegungen zur Raumfahrt 1903 in der Zeitschrift "Wissenschaftliche Umschau" unter dem Titel "Исследование мировых пространств реактивными приборам" (dt. "Erforschung des Weltraums mittels Reaktionsapparaten"). Fast die komplette Auflage der Zeitschrift wurde durch die zaristische Zensur beschlagnahmt, wodurch Ziolkowskis bahnbrechende Gedanken zunächst keine Verbreitung fanden. Erst nach der Veröffentlichung von Hermann Oberths "Die Rakete zu den Planetenräumen" 1923 gewannen auch Ziolkowskis Arbeiten Aufmerksamkeit und Anerkennung.

Während des Kalten Krieges wurde er zum sowjetischen "Vater der Raumfahrt".

Robert Esnault-Pelterie

Der französische Flugzeugfabrikant Robert Esnault-Pelterie (1881-1957) befasste sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg mit der Idee der Raumfahrt und den dafür notwendigen Antrieben. Ein 1912 von ihm vor der Société française de physique gehaltener Vortrag über die Möglichkeit des Weltraumfluges stieß dort jedoch auf Ablehnung. Nach der Veröffentlichung von Hermann Oberths "Die Rakete zu den Planetenräumen" beschäftigte sich Esnault-Pelterie erneut mit der Idee der Raumfahrt und initiierte 1927 mit seinem Vortrag "L' Exploration par fusées de la très haute atmosphère et la possibilité des voyages interplanétaires" die Einrichtung eines einschlägigen Ausschusses in der Societé Astronomique de France. Auf Esnault-Pelterie und diesen Kreis geht die Bezeichnung "Astronautique" für die Raumfahrtwissenschaften zurück. 1930 publizierte Esnault-Pelterie mit "L' Astronautique" sein Hauptwerk.

Außerhalb Frankreichs ist Esnault-Pelteries Rolle als einer der Wegbereiter der Raumfahrt heute fast völlig vergessen.

Robert Goddard

Der amerikanische College-Professor Robert Hutchings Goddard (1882-1945) stellte 1912 ohne Kenntnis von Ziolkowskis Arbeiten seinerseits die Raketengrundgleichung auf. 1919 veröffentlichte die Smithsonian Institution seine Arbeit “A Method of Reaching Extreme Altitudes”, die als eine der bedeutendsten frühen raketentechnischen Grundlagenarbeiten gilt. Goddard gelang 1926 als erstem der erfolgreiche Start und Flug einer Flüssigkeitsrakete. Aufgrund seines sehr ausgeprägten Geheimhaltungsbedürfnisses wurde dieser Erfolg jedoch erst viele Jahre später öffentlich bekannt. Sein direkter Einfluss auf die tatsächliche Entwicklung von Raketentechnik und Raumfahrt blieb deshalb zu seinen Lebzeiten sehr begrenzt.

Während des Kalten Krieges betonten die USA besonders Goddards Bedeutung als amerikanischer “Vater der Raketentechnik und Raumfahrt”.

Nach Robert Goddard ist das Goddard Space Flight Center der NASA benannt.

Hermann Oberth

Der siebenbürgische Gymnasialprofessor Hermann Oberth (1894-1989) veröffentlichte 1923 beim renommierten Wissenschaftsverlag Oldenbourg in München sein raketentechnisches und raumfahrtwissenschaftliches Grundlagenwerk “Die Rakete zu den Planetenräumen”. 1929 folgte nach Jahren intensiver öffentlicher Aufmerksamkeit und wissenschaftlicher Debatten unter dem neuen Titel “Wege zur Raumschiffahrt” die erheblich erweiterte Neuauflage. Robert Esnault-Pelterie bezeichnete dieses Werk als “Bibel der wissenschaftlichen Astronautik”. Oberth wurde dafür als erster Preisträgers mit dem internationalen REP-Hirsch-Preis ausgezeichnet, den Esnault-Pelterie mit dem Pariser Bankier André Louis-Hirsch im Rahmen der Societé Astronomique de France ausgelobt hatte.

Hermann Oberth kann heute als der wohl wirkungsmächtigste der vier “Väter der Raumfahrt” gelten. Seine grundlegenden technischen Konzepte und seine weit ausgreifenden Anwendungsszenarien für die Raumfahrt haben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Eingang in die konkreten Entwicklungen der Raumfahrt gefunden.

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