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War Oberth ein Nazi?
Oberth war nie Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Unterorganisationen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er von den Alliierten interniert, aber bereits im August 1945 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Im Rahmen der Entnazifizierung wurde er als „nicht betroffen“ eingestuft.
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War Oberth Mitglied der nationalsozialistischen Partei in Siebenbürgen / Rumänien?
Bis 1938 lebte Oberth in Siebenbürgen / Rumänien. Es wird oft behauptet, er sei schon in Siebenbürgen Mitglied der dortigen nationalsozialistischen Partei gewesen. Die uns heute bekannten Quellen lassen aber keine solche gesicherte Feststellung zu.
Was wir sagen können: Es ist sehr wahrscheinlich, dass Oberth – wie viele Siebenbürger Sachsen – Mitglied der 1922/23 gegründeten so genannten „Selbsthilfe“ war, einer Art Bausparkasse unter dem Dach des Sächsischen Landwirtschaftlichen Vereins in Hermannstadt. Aus dieser ursprünglich wirtschaftlichen Hilfsvereinigung entwickelte sich im Lauf der späten 1920er Jahre eine spezifisch siebenbürgische politische „Erneuerungsbewegung“, in der im Widerstreit mit der dominierenden konservativen Führungsspitze ab ca. 1930 auch Ideen des sog. „nationalen Sozialismus“ eine zunehmende Rolle spielten und ab 1933 auch der Einfluss aus dem Dritten Reich spürbar wurde. Hinweise auf eine aktive parteipolitische Betätigung Oberths in diesem Sinne haben wir aber nicht.
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Welche Rolle spielten für Oberth seine Erfahrungen im und nach dem Ersten Weltkrieg?
Hermann Oberth erlitt als Soldat der K.u.k.-Armee an der Karpatenfront durch Schrapnellbeschuss eine Bauchverletzung. Nach seiner Wiederherstellung wurde er aufgrund seiner medizinischen Vorbildung als Hilfsarzt im Lazarett Schässburg eingesetzt. Sein Bruder Adolf fiel 1917.
Oberth machten die gewaltigen Umbrüche in seiner Heimat nach dem Ersten Weltkrieg erheblich zu schaffen, was er auch öffentlich artikulierte. Er beteiligte sich als Intellektueller und Lehrer an einem renommierten Gymnasium durchaus auch an den Debatten der Zwischenkriegszeit in Siebenbürgen. Hintergrund dafür ist, dass die über Jahrhunderte in jeder Hinsicht mehr oder weniger autonom lebenden Siebenbürger Sachsen dem Königreich Rumänien zugeschlagen worden waren, aber die Versprechungen von weitgehenden Minderheitenrechten nicht eingelöst wurden. Dies hatte für die siebenbürgische Bevölkerung Auswirkungen bis ins persönliche Leben. Oberths Vater etwa verlor seine Anstellung als Chefarzt des Komitatsspitals in Schässburg. Als Amts- und Unterrichtssprache wurde einheitlich das Rumänische eingeführt. Für Oberth als Lehrer war dies ein unmittelbares Problem, denn er sprach, wie die meisten Siebenbürger Sachsen, nur deutsch und etwas ungarisch.
Als Resultat der politischen Umbrüche und solcher individuellen Erfahrungen fühlten sich die Siebenbürger Sachsen als Fremde in der eigenen Heimat. Hermann Oberth war da keine Ausnahme.
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Wie bzw. warum kam Oberth ins Dritte Reich? Woran arbeitete er?
1938 unterschrieb Oberth einen Vertrag mit einer Organisation aus dem Umfeld des deutschen Reichsluftfahrtministeriums und zog mit der Familie nach Wien, um auf dem Militärgelände in Felixdorf Raketenversuche zu organisieren. 1940 wechselte er an die Technische Hochschule Dresden, wurde als Rumäne aber zunächst weiterhin von der eigentlichen Raketenentwicklung in Peenemünde ferngehalten. Im selben Jahr nahm die gesamte Familie die deutsche Staatsbürgerschaft an. (Man kann fast sicher davon ausgehen, dass ihm im Rahmen dieses Vorgangs auch die NSDAP-Mitgliedschaft angetragen wurde. Diesen Schritt vollzog er aber nicht.)
Von 1941 bis 1943 arbeitete Oberth schließlich in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde im weitesten Sinn am Raketenprogramm mit. Oberth war kein Ingenieur, sondern Mathematiker und Physiker. Eine aktive Beteiligung Oberths an der Konstruktion der V-2-Rakete gab es daher nicht. Seine Aufgabe bestand zunächst in einer Prüfung aller für das Dritte Reich erreichbaren Patente auf ihren evtl. Nutzen für die Raketenentwicklung und später in einer mathematisch-physikalischen Studie „über die beste Teilung von Stufenaggregaten.“
Von Herbst 1943 bis Kriegsende arbeitete Oberth bei der WASAG in deren Werk Reinsdorf (bei Wittenberg) an der Entwicklung von Feststoffraketen.
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Was hat es mit Oberths zeitweiliger NPD-Mitgliedschaft in den 1960er Jahren auf sich?
Es ist allgemein bekannt und niemand bestreitet, dass Oberth zeitweise Mitglied der NPD war. Diese Partei war zwischen ihrer Gründung Ende 1964 und 1967 auch ein Sammelbecken für enttäuschte Konservative und Nationalliberale und sie entwickelte in dieser Zeit erster wirtschaftlicher Probleme in der Bundesrepublik eine so große Anziehungskraft, dass sie in eine Reihe von Landtagen einzog.
1965 trat Oberth der NPD bei. 1967 trat er wieder aus, weil sich einerseits die Partei deutlich radikalisierte und weil er offenbar andererseits begriff, dass man ihn nur als Galionsfigur (miss-)brauchte. Er wurde für seine NPD-Mitgliedschaft von seinen Zeitgenossen hart kritisiert und zog mit dem Austritt die Konsequenzen.
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Stimmt es, dass Oberth auch nach seinem NPD-Austritt 1967 rechtsextreme Organisationen unterstützte?
Zitate aus Publikationen der NPD und anderer Organisationen aus diesem Umfeld sollen immer wieder belegen, dass Oberth auch nach 1967 ein prominenter Förderer u.a. der NPD gewesen sei.
Es ist offensichtlich, dass dies der Versuch der Partei war, die Prominenz Oberths für sich auch nach seinem Austritt nutzbar zu machen. Die Familie hat wiederholt Versuche unternommen, der NPD derartige Aussagen untersagen zu lassen. Immer wieder wurde aus diesem Umfeld aber versucht an Oberth heranzutreten und ihn für irgendwelche Aktionen oder Spenden zu gewinnen.
Die immer wieder skandalisierten Spenden an die sog. Stille Hilfe gab es. Es waren nach den uns vorliegenden Belegen jedoch nur sehr wenige und jeweils geringe Beträge von 10 oder 20 DM. Aussagen, Oberth sei ein „treuer Unterstützer“ gewesen, erscheinen vor diesem Hintergrund stark übertrieben.
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Wie ist der Forschungsstand zu diesen Fragen?
Alle Feststellungen in diesen FAQ entsprechen dem Stand der Erkenntnisse aus den vorliegenden Quellen zum 30.6.2023.
Das Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum betrachtet es als eine seiner Aufgaben, neben der (frühen) Raumfahrtgeschichte auch Fragen an die Biographie seines Namensgebers zu untersuchen, kritisch zu hinterfragen und den Stand der Erkenntnisse darzustellen.
Dies geschieht im Rahmen unserer Tage der Raumfahrtgeschichte, aber auch im Museum selbst.