Neue Erkenntnisse über Weggefährten Oberths
- Tag der Raumfahrtgeschichte des Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museums fand am Samstag im Feuchter Pfinzingschloß statt
Einmal mehr neue Erkenntnisse über die frühe Raumfahrtgeschichte und insbesondere über Weggefährten Hermann Oberths hat am Samstag der 15. Tag der Raumfahrtgeschichte des Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museums erbracht. Die raumfahrthistorische Tagung findet jedes Jahr am Wochenende vor oder nach dem Geburtstag Hermann Oberths am 25.Juni in Feucht statt. Seit 2012 stellt der Markt Feucht dafür die Halle des Pfinzingschlosses zur Verfügung.
Die Tagungsteilnehmer kamen – wie jedes Jahr – aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Feuchts Zweite Bürgermeisterin Katharina von Kleinsorgen als ‚Hausherrin’ und Bezirksrat Dr. Bernd Eckstein (beide CSU) überbrachten die Grüße des Marktes Feucht und des Bezirks Mittelfranken. Die Feuchter SPD war durch Marktgemeinderätin Petra Fischer vertreten, die seit einigen Jahren eine treue Besucherin der Veranstaltungen des Feuchter Museums ist.
Die Veranstaltungsreihe geht auf eine Initiative des heutigen Museumsleiters Karlheinz Rohrwild zurück.
Harald Tresp – dessen für dieses Jahr geplante Vorträge wegen Erkrankung leider ausfallen mussten, dafür aber im Tagungsband nachzulesen sind – dokumentiert die Entstehungsgeschichte der Tage der Raumfahrtgeschichte wie folgt: „Im Jahre 1983 kam der damals 18jährige Schüler Karlheinz Rohrwild nach Feucht und sollte bald ein fester Bestandteil der Zukunft des Oberth-Museums werden. Oberths Schwiegersohn, Josef Roth, nahm sich des jungen Mannes an und fortan half er im Museum mit.
Bereits im Herbst desselben Jahres wurde er mit zum Raumfahrtkongress der International Astronautical Federation (IAF) nach Budapest genommen und lernte so die Sektion „History of Astronautics“ der AIAA (American Institute for Aeronautics and Astronautics) und deren Mitglieder kennen. In den Folgejahren war er auch weiter Bestandteil der Feuchter Delegation und wurde so über die Jahre zu einem festen Bestandteil dieser Sektion.
1992 fand der IAF Kongress in Washington D.C. statt und Rohrwild äußerte gegenüber dem Raumfahrtpublizisten und –historiker Fred I. Ordway III, dass er Recherchen zur UfA-Rakete (1929) von Hermann Oberth anstelle. Ordway schlug ihm vor, er solle doch hierüber einen Vortrag halten, was aus jugendlichem Leichtsinn von Karlheinz Rohrwild mit einem „Warum denn nicht“ beantwortet wurde.
Hintergrund dieser Recherchen war der bevorstehende 100. Geburtstag von Hermann Oberth und Rohrwild, der zu diesem Zeitpunkt für die Beschaffung der Exponate im Museum verantwortlich war, erhoffte sich, von der Deutschen Raumfahrtindustrie diese Rakete nachgebaut zu bekommen. Da Baupläne nicht im Archiv vorhanden waren, begann er mit seinen Recherchen. Bereits im Januar 1993 trug er seine Ergebnisse bei den Koroljew - Lesungen in Moskau vor und im Herbst des Jahres beim IAF-Kongress in Graz. Damit war das Feuer der Leidenschaft für Raumfahrt-Geschichte bei dem jungen Mann entbrannt. Die MAN Neue Technologie baute aus Anlass des 100. Geburtstages von Hermann Oberth dann nicht die UfA-Rakete, genaue Pläne waren damals nicht aufzutreiben, aber die Oberth-Rakete von 1935 nach, von der gute Pläne existierten. Hierüber sollte Rohrwild dann beim IAF-Kongress in Peking 1996 berichten. Die Besonderheit hierbei bestand nicht etwa in seinem Vortrag, sondern vielmehr, dass just zu Beginn des Vortrages der berühmte Publizist Arthur C. Clarke in seinem Rollstuhl in den Raum kam und erst nach Beendigung des Vortrages den Raum wieder verließ.
Seit Rohrwilds Vorträgen in Moskau und Graz, war klar, dass es so etwas auch in Deutschland geben solle.“ Die Feuchter Tage der Raumfahrtgeschichte, die sich – wie das Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum auch – nicht nur aber vor allem mit der Vor- und Frühgeschichte der Raumfahrt befassen, waren geboren.
Neue Erkenntnisse
Immer wieder haben die Referenten der Tagung neue Erkenntnisse über diesen Abschnitt der Raumfahrtgeschichte zu Tage gefördert und damit auch unsere Kenntnis über die Hintergründe für die Bedeutung Hermann Oberths erweitert.
Auch im Rahmen des 15. Tages der Raumfahrtgeschichte am vergangenen Samstag konnten wieder neue Erkenntnisse über zwei Weggefährten Hermann Oberths präsentiert werden.
Im Vortrag von Dr. Wolfgang Both (Berlin) ging es um den ersten Patentanwalt Oberths in seiner Berliner Zeit, Otto Steinitz. Dessen Bedeutung geht jedoch über die Tätigkeit als Patentanwalt hinaus. Steinitz’ Verein für Fortschrittliche Verkehrstechnik (EVFV) diente nach dem Zerfall des Vereins für Raumschiffahrt (VfR) Ende 1933 als Auffangbecken für einen Teil der Mitglieder.
Als Ingenieur und Verkehrstechniker interessierte Steinitz das neue Transportmedium. Er besuchte den Raketenflugplatz in Berlin-Reinickendorf, berichtete darüber in Zeitungen und Fachzeitschriften und hielt selber Vorträge zu diesem Thema. So referierte er am 23. April 1931 im Großberliner Vortragsbund „Von der Rakete zum Weltraumschiff“. Willy Ley wiederum trat beim Treffen des EVFV auf und berichtete über die Raketenexperimente. Ley und Oberth standen in engem persönlichen Kontakt mit Steinitz und besuchten ihn nach Erinnerung von Steinitz Tochter Susi, die der Referent für seinen Vortrag befragen konnte, öfter in seinem Büro in der Berliner Bergmannstraße. Steinitz hatte als Jude ab 1933/34 mit erheblichen Einschränkungen und Schwierigkeiten zu kämpfen, die auch seine beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeit massiv behinderte. Zwar darf er durch eine Sonderregelung noch bis 1937 publizieren, wird darin aber immer stärker behindert. Anfang 1939 gelingt ihm die Auswanderung in die USA.
Der Vortrag von Michael Zuber (Feucht) befasste sich mit bislang unbekannten Veröffentlichungen des Journalisten und Publizisten Willy Ley im ‚Sozialdemokratischen Pressedienst’, einer Nachrichtenagentur für die Parteizeitungen der SPD in der Weimarer Republik. Ley der vor allem in der Zeit nach seiner Emigration in die USA (1935) einer der bedeutendsten Popularisatoren der Raumfahrt wurde, hatte in der Zeit zwischen 1930 und 1932 im ‚Sozialdemokratischen Pressedienst’ eine Reihe von Artikeln veröffentlicht, anhand derer gezeigt werden kann, dass die Raketenenthusiasten der Weimarer Zeit durchaus nicht uneingeschränkt nach dem gängigen Schema einer „reaktionären Modernität“ beurteilt werden können. Die weitergehende Analyse der zugänglichen Ausgaben des ‚Sozialdemokratischen Pressedienstes’ ergab, dass Raketentechnik und Raumfahrt durchaus auch dort ein interessantes und für die Berichterstattung relevantes Thema waren.
Im Vortrag von Bernd Diekmann (Detmold) wurde erstmals enthüllt, dass der österreichische Segelflugpionier Robert Kronfeld in Thüringen auch sehr früh intensiv mit Starthilferaketen für Segelflugzeuge experimentierte. Eine Buchveröffentlichung zu diesem spannenden Seitenast der frühen Raketenentwicklung ist derzeit in Vorbereitung.
Ausflug in die bundesdeutsche Raumfahrtgeschichte
Einen Ausflug in die Raumfahrtgeschichte der jungen Bundesrepublik Deutschland stellte der Vortrag von Adolf Frank (Lampoldshausen) dar. Der langjährige Mitarbeiter am Standort Lampoldshausen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) stellte aus eigenem Erleben die Wege und Umwege der europäischen Trägerraketenentwicklung dar. Nur wenigen Zuhörern war bekannt, dass die Bundesrepublik vor gemeinsamen europäischen Raketenprogrammen Pläne für eine eigene Satellitenträgerrakete hatte, deren Triebwerke maßgeblich in Lampoldshausen entwickelt und getestet wurden. Besonders spannend und berührend waren Franks persönliche Erinnerungen an fehlgeschlagene und auch für ihn persönlich nicht ungefährliche Versuche und seine Schilderungen über den Aufbau des Standorts in Lampoldshausen bei Heilbronn. Die im vergangenen Jahr eröffnete Ausstellung über die Treibwerksentwicklung geht maßgeblich auf Franks jahrelange Sammlungstätigkeit zurück. Markus Rehberger, der seit vielen Jahren auch ehrenamtlich für das Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum tätig ist, wird die Frank’sche Sammlung künftig als Mitarbeiter des DLR in Lampoldshausen weiter betreuen.
Beide überraschten die Feuchter Museumsmannschaft mit einem Einspritzkopf aus einem der in seinem Vortrag beschriebenen Raketentests in Lampoldshausen als Geschenk für die hiesige Ausstellung: Im Bild v.l. Feuchts Zweite Bürgermeisterin Katharina von Kleinsorgen (CSU), Museumsdirektor Karlheinz Rohrwild, Adolf Frank, Marktgemeinderätin Petra Fischer (SPD) und Markus Rehberger.
Ein weiterer Tagungsteilnehmer, Tassilo Römisch (Space Service International Mittweida) bereicherte die Ausstellung um zwei weitere frühe Raketenmodelle, anhand derer die internationale Entwicklung der frühen Jahre im Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum nachvollziehbar wird: Links ein Modell einer Winklerrakete HW 1a, rechts im selben Maßstab die sowjetische ‚Avianito’, eine Entwicklung aus dem Jahr 1935.
Die Vorträge des 15. Tages der Raumfahrtgeschichte sind im Tagungsband nachzulesen, der über das Museumsbüro für einen Kostenbeitrag von 50 Euro erworben werden kann.