Neue Einsichten und spektakuläre offene Fragen beim 13. Tag der Raumfahrtgeschichte im Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum


Interessante neue Einsichten zur Frühzeit der Raumfahrtentwicklung erbrachte der 13. Tag der Raumfahrtgeschichte des Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museums in Feucht. Darunter auch einige offene Fragen rund um die geheime Doktorarbeit des deutsch-amerikanischen Raketenpioniers Wernher von Braun, der dieses Jahr 100 Jahre alt geworden wäre.

Dr. Olaf Przybilski von der Technischen Universität Dresden förderte im Rahmen seiner Analyse der lange Zeit nicht zugänglichen Doktorarbeit Wernher von Brauns eine Reihe offener Fragen zutage, die sehr wahrscheinlich für Aufsehen in Fachkreisen sorgen werden. Przybilski, selbst von Haus aus Ingenieur und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Luft- und Raumfahrttechnik der TU Dresden, unterzog die ihm vorliegenden Fassungen der Arbeit von Brauns einer fachlich-kritischen Bewertung, deren Ergebnis erheblichen Anlass zu weiteren Nachforschungen gibt. So bezweifelt der Dresdener Wissenschaftler die Urheberschaft von Brauns an einigen, ihm zugeschriebenen konstruktiven Details, die tatsächlich auch in industriellen Standardprodukten der Zeit zu finden sind. Ferner fehlen in der Arbeit wesentliche Ergebniskapitel, auf die im Text allerdings verwiesen wird. Przybilski fand sie weder in Nachdrucken, noch in der von ihm eingesehenen Originalfassung der Doktorarbeit. Es wird in weiteren Forschungen zu klären sein, ob diese fehlenden Kapitel aus Geheimhaltungsgründen aus der Arbeit entfernt wurden, oder ob es andere Gründe dafür gibt. Ebenso wird die Forschung von Przybilski in seinem Vortrag in Feucht angesprochenen Indizien nachgehen müssen, die auf Ähnlichkeiten mit der einschlägigen Diplomarbeit eines Studenten hinweisen.

Der Vortrag von Michael Tilgner über „Goebbels’ Raketenbann“ brachte neue Einsichten in eine für die Frühzeit der Raketenentwicklung in Deutschland wesentliche Frage. Tilgner konnte anhand einer akribischen Literaturrecherche zeigen, dass es in der Frühphase des Dritten Reichs tatsächlich eine von den Machthabern bewusst gewollte Tabuisierung des Themas Raketenentwicklung in der medialen Darstellung gab. Vom Propagandaministerium – in der Regel mündlich in Regierungspressekonferenzen – herausgegebene so genannte „Presseanweisungen“, belegen dies ebenso, wie Vorgaben für die Provinz- und Fachpresse, die zu den Regierungspressekonferenzen keine Vertreter entsenden konnten. In einer erhalten gebliebenen Anweisung vom Januar 1935 heißt es zum Beispiel: „… Es sollen möglichst wenig Berichte über Raketenflugzeuge, Raketenautos usw. erscheinen, auch nicht in Romanform. …“ Für die Beurteilung der frühen Raumfahrtgeschichte ist dies deshalb von großer Bedeutung, weil die Raketentechnik, ausgehend von den grundlegenden Arbeiten Hermann Oberths, von der Mitte der 1920er Jahre bis etwa 1932 für erhebliches öffentliches Aufsehen in Deutschland und Europa sorgte. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten gewannen militärische Geheimhaltungswünsche die Oberhand. Tilgner konnte in seinem Vortrag allerdings auch zeigen, dass dieses Tabu nicht konsequent durchgesetzt werden konnte. So erschienen 1935 in Teilen der deutschen Presse umfangreiche Nachrufe auf den russischen Raumfahrtpionier Konstantin Ziolkowski. Gegen Kriegsende entdeckte das NAZI-Regime schließlich unter dem Begriff „Wunderwaffen“ die Raketentechnik selbst neu als Propagandainstrument, mit dem der Durchhaltewille der Bevölkerung angeheizt werden sollte.

Die Raketenbegeisterung der Weimarer Zeit beleuchteten von gänzlich unterschiedlichen Seiten schließlich Martin Frauenheim und Dr. Wolfgang Both in ihren Vorträgen. Both zeigte anhand einiger Beispiele, wie intensiv sich Mitglieder des „Vereins für Raumschiffahrt“ in den 1920er Jahren als Science-Fiction-Autoren betätigten. Darunter ist vor allem Willy Ley zu nennen, der vor den Nationalsozialisten Mitte der 1930er Jahre über Großbritannien in die USA floh, und dort in den 1950er und 1960er Jahren gemeinsam mit Wernher von Braun einer der meistbeachteten Raumfahrtpropagandisten wurde.

Frauenheim zeigte in seinem äußerst detailreichen Vortrag europaweite Entwicklungen bemannter Raketenflugzeuge bis 1933 auf, an deren Vielzahl die große Begeisterung dieser Zeit für die Rakete als Antrieb jeglicher Art von Fortbewegungsmitteln abzulesen ist.

Zum Auftakt des 13. Tages der Raumfahrtgeschichte hatte Michael Tilgner versucht, mehr Licht in das Werk des weitgehend unbekannten französischen Arztes André Bing zu bringen, dem bereits 1911 in Belgien ein Patent für eine Stufenrakete erteilt wurde. Bing hatte aufgrund dieses Patents offenbar auch Anteil an der Verleihung des hoch dotierten, neugestifteten REP-Hirsch-Preises. Dieser Preis der 1927 gegründeten „Commision d’Astronautique“ der Société Astronomique de France wurde „an den Autor der besten Originalarbeit, die geeignet ist, zur Verwirklichung einer der zahlreichen wissenschaftllichen Anliegen beizutragen, die auf den Endzweck der Astronautik abzielen“ verliehen. Erster Preisträger war 1929 der spätere Feuchter Ehrenbürger Hermann Oberth, der am Montag, 25. Juni 2012, 118 Jahre alt geworden wäre.

Der Vortrag von Harald Tresp musste wegen Verhinderung des Referenten leider entfallen.

Der Tagungsband zum 13. Tag der Raumfahrtgeschichte ist für einen Kostenbeitrag von 50 € über das Museumsbüro erhältlich.

Zum Tag der Raumfahrtgeschichte, den das Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum jedes Jahr im terminlichen Umfeld um Oberths Geburtstag veranstaltet, war neben vielen Gästen aus allen Himmelsrichtungen dieses Jahr für den Markt Feucht auch Marktgemeinderat Heinz Satzinger ins Pfinzingschloss gekommen, den Museumsdirektor Karlheinz Rohrwild herzlich begrüßte.

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