Leserbriefe zur Vergangenheit Hermann Oberths


Zwischen 10.7.2013 und 16.7.2013 erschienen in der Feuchter Tageszeitung “Der Bote” drei Leserbriefe, die sich mit Fragen der persönlichen Vergangenheit Hermann Oberths auseinandersetzten.

Die Redaktion des Boten musste uns leider mitteilen, dass unsere Erwiderung auf die letzten beiden Leserbriefe für ihre Leserbriefspalten zu lang und ausführlich sei.

Deshalb dokumentieren wir unsere ausführliche Erwiderung hier:


Leserbrief

zum Leserbrief von Herrn Klaus Walter in „Der Bote“ vom 15.7.2013 und zum Leserbrief von Frau Siglinde Walter in „Der Bote“ vom 16.7.2013

Die Leserbriefe von Herrn und Frau Walter gehen erkennbar von der Vorstellung aus, das Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum sei ausschließlich ein biographisches Museum zur Verherrlichung der Person Hermann Oberth. Diese Vorstellung ist vollkommen falsch. Es kann sie niemand haben, der das Museum und unsere Sonderausstellungen in den vergangenen Jahren besucht hat.

Das Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum sieht seine Aufgabe nicht in einer unkritischen Würdigung einzelner Personen, sondern – ausgehend von den unbestreitbaren wissenschaftlichen Pionierleistungen seines Namensgebers in den 1920er Jahren – in der Bearbeitung und öffentlichen Darstellung der Raumfahrtgeschichte, ihrer Entwicklungslinien und Bedingungsfaktoren. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der frühen Raumfahrtgeschichte, die Oberth mit seinen theoretischen und praktischen Arbeiten zwischen 1923 und 1930 entscheidend geprägt hat. Andere Schwerpunkte sind die technische Raketenentwicklung, die Rolle der Öffentlichkeit für die Entwicklung der Raumfahrt und die gegenseitige Bedingtheit politischer, militärischer und ziviler Zielstellungen in der Entwicklungsgeschichte der Raumfahrt.

Der biographische Teil zur Person Hermann Oberth kann heute in den sehr beengten Verhältnissen des bestehenden Museums nur einen kleinen Teil der Ausstellung einnehmen. Bestandteil des Raumplans für unsere mittelfristig angestrebte Erweiterung ins Pfinzingschloss im Rahmen des Gesamtkonzepts „Kulturareal Feucht“ ist aber unter anderem die Einrichtung eines eigenen Raumes, der sich unter der Überschrift „Irrungen und Wirrungen“ auch mit Zeit und Umständen von Oberths NPD-Mitgliedschaft auseinandersetzt. Selbstverständlich haben wir aber auch einen Raum vorgesehen, der die weltweite Anerkennung Oberths und seiner wissenschaftlichen Leistungen darstellt.

Als Museum ist es eine unserer Aufgaben, die ganze historische Persönlichkeit in ihrer Vielschichtigkeit und im Zusammenhang ihres Wirkens und ihrer Zeit auf der Basis der Quellen differenziert darzustellen. Dazu gehören Leistungen und Verdienste ebenso wie kritikwürdige Aspekte und persönliches Scheitern.

Uns in Leserbriefen andere Absichten zu unterstellen, ohne je mit uns gesprochen zu haben, ist grob unseriös.

Leider bleiben Herr und Frau Walter den Leserinnen und Lesern auch den Nachweis ihrer undifferenzierten Behauptungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben komplett schuldig. Deshalb sehen wir uns gezwungen, mit diesem weiteren Leserbrief für die nötige Klarheit zu sorgen.

Frau Siglinde Walter hat in Ihrem Leserbrief vom 10.7. Hermann Oberth zwar nicht ausdrücklich als Nazi bezeichnet, aber sehr wohl versucht ihn in den Zusammenhang der NS-Ideologie zu stellen und dies darüberhinaus nicht ungeschickt mit Oberths späterer NPD-Episode verquickt. Es war und bleibt deshalb notwendig klarzustellen, dass Oberth nach unserer Quellenkenntnis eben keine NS-Vergangenheit hat, und ihm deshalb auch keine weltanschauliche Kontinuität unterstellt werden kann.

Wenn Frau Walter in ihrem Leserbrief vom 16.7. unterstellt, wir hätten eine Mitarbeit Oberths in Peenemünde „negiert“, hat sie nicht genau genug gelesen. Wir haben darauf hingewiesen, dass Oberth mit der operativen Leitung der Heeresversuchsanstalt nichts zu tun hatte und darauf auch keinen Einfluss nehmen konnte. Oberth wurde vor allem für eine umfassende Verwertbarkeitsprüfung deutscher und ausländischer Patente für die Zwecke der Raketenentwicklung sowie erstmals umfassende Berechnungen zur Stufentrennung von Raketen eingesetzt. Gerade die Entwicklung der V2 war Gegenstand von Kontroversen zwischen Oberth und von Braun in Peenemünde. Entsprechende Quellen liegen in unserm Archiv. Nicht nachweisbar hingegen ist im Zusammenhang mit Peenemünde auch die immer wieder kolportierte Geschichte, Oberth sei unter dem Tarnnamen Fritz Hann dort gewesen.

Die kurze NPD-Mitgliedschaft Oberths rund um die Jahre 1965 bis 1967 kann nur seriös bewertet werden, wenn man sie in den Zusammenhang der Zeit und Oberths Lebensgeschichte stellt und sich vor allzu schnellen Analogieschlüssen hütet. Niemand bestreitet, dass die NPD schon in den 1960er Jahren im rechten Teil des politischen Spektrums zu verorten war. Gerade in den beiden Anfangsjahren war die NPD aber vor allem eine Protestpartei und bekanntermaßen zum Beispiel für nationalliberale FDP-Anhänger attraktiv. Nur so sind ihre Erfolge bei den Landtagswahlen in der Mitte der 1960er Jahre erklärbar. Es ist außerdem deutlich, dass sich die NPD mit dem Beschluss ihres Wahlprogramms 1967 erkennbar radikalisierte. (Für jedermann nachzulesen zum Beispiel beim Haus der Deutschen Geschichte oder auch in der Wikipedia.)

Ebenso wie sein Eintritt ist auch Oberths Austritt aus der NPD eine Tatsache!
Den Eintritt zu skandalisieren und den Austritt kleinzureden oder ganz zu verschweigen ist irreführend.

Für eine systematische oder dauerhafte Unterstützung der „Stillen Hilfe“ durch Oberth gibt es außer dem lange bekannten, und immer wieder zitierten Nachruf dieser Organisation keine Evidenz. Diese Frage muss aber noch eingehender untersucht werden.

Dieser gesamte Themenkomplex zeigt aber, dass auch ein anerkannter und bedeutender Wissenschaftler nicht vor persönlichen Irrwegen gefeit ist, auch nicht außerhalb der Kritik steht und gelegentlich vor der Notwendigkeit steht, Fehler einzusehen und zu korrigieren.

Als Museum sehen wir eine unserer Aufgaben darin, unseren Besuchern auch dies zu vermitteln.

Herr Walter bewertet schließlich in seinem Leserbrief vom 15.7. unseren Hinweis darauf, dass Oberth 1963 SPD gewählt habe als ‚verstiegene Behauptung’. Wir können diese Aussage mit einem Originalbrief Oberths belegen. Herr Walter bleibt jedoch einen Beleg für seinen deutlich geäußerten Zweifel schuldig und greift stattdessen zu polemischen Kunstgriffen - wohl um den Lesern vorzugaukeln, unser Hinweis sei nicht plausibel.

Seine rhetorische Frage, was Oberth eigentlich für Feucht getan habe, dass er die Ehrenbürgerschaft verdient, hat der Marktgemeinderat 1959 klar und eindeutig beantwortet. Diese Antwort ist auf der Ehrenbürgerurkunde nachzulesen, die auch Herr Walter jederzeit im Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum betrachten kann. Die Begründung lautet: „Herrn Professor Hermann Oberth, dem Pionier der Weltraumfahrt, wird in Würdigung seiner großen wissenschaftlichen Leistung vom Markt Feucht auf Grund des einmütigen Gemeinderatsbeschlusses vom 25. März 1959 hiermit die Ehrenbürgerschaft verliehen. Der Markt Feucht rechnet es sich zur hohen Ehre, dem verdienstvollen Forscher eine zweite Heimat geworden zu sein, in der ihm noch viele Jahre ein erfolgreiches Wirken für den friedlichen Fortschritt der Menschheit vergönnt sein möge. Feucht, den 19. Juni 1959. Markt Feucht, Koll, 1. Bürgermeister.“

Wer heute im Auto die Segnungen seines Navigationssystems oder durch die Satellitenschüssel auf dem Dach die Vielfalt internationaler TV-Programme genießt, wer beruflich oder privat immer präzisere, auf den Daten meteorologischer Satelliten beruhende Wettervorhersagen oder das weltumspannende, satellitenunterstütze Kommunikationsnetz nutzt, wer sich um das Ozonloch oder andere ökologische Phänomene im globalen Maßstab sorgt, die nur durch den Blick von außen auf unsere Erde nachgewiesen werden können, der profitiert von der Raumfahrt – und damit von den in der Ehrenbürgerurkunde zu Recht gewürdigten Arbeiten und wissenschaftlichen Leistungen Hermann Oberths.

Fehler und Irrwege müssen benannt werden und werden auch benannt, sie dürfen aber nicht dazu führen, dass unbestreitbare, wegweisende Leistungen nicht mehr anerkannt und dargestellt werden.

Wie schon Frau Siglinde Walter laden wir deshalb auch Herrn Klaus Walter ausdrücklich ein, sich in einem baldigen persönlichen Gespräch bei einem Besuch im Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum davon zu überzeugen, dass ihre teilweise sehr polemischen und oberflächlichen Einlassungen unserer Arbeit in keiner Weise gerecht werden.

Karlheinz Rohrwild
Museumsdirektor
Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum e.V.
Pfinzingstraße 12-14
90537 Feucht


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