100. Geburtstag: Zitatesammlung über Wernher von Braun
Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum
Aus Anlass des 100. Geburtstages von Wernher von Braun am 23.3.2012 haben wir - ohne Anspruch auf abschließende Vollständigkeit - hier einige Zitate von und über von Braun zusammengestellt.
Diese Zitate machen schlaglichtartig deutlich, dass es anlässlich eines solchen Jahrestags und im Zusammenhang mit einer Persönlichkeit wie Wernher von Braun keine “einfachen Wahrheiten” gibt - schon gar nicht aus der Perspektive der das Gesamtbild überblickenden Rückschau.
Mit einer Sonderausstellung in der zweiten Jahreshälfte 2012 wird das
Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum das besondere, mitnichten immer ungetrübte Verhältnis Wernher von Brauns zu seinem Mentor Hermann Oberth und beider herausragende Bedeutung für die Entwicklung der Raumfahrt eingehender beleuchten.
Hermann Oberth, 1948 über Wernher von Braun in einem Brief an Eugen Sänger:
“… Als Mensch hat er zwar sicher sehr schätzenswerte Eigenschaften: Ungewöhnliche Tatkraft, eisernen Fleiß, bewundernswerten persönlichen Mut, angenehme Umgangsformen, er ist ein glänzender Diplomat und Organisator und zeigt mindestens nach außen keine Spur von jenem Hochmut und Dünkel, der bei einem jungen Mann in seiner Lage nur zu leicht möglich und verständlich gewesen wäre, dabei ist er keineswegs kleinlich oder rachsüchtig (…) Außerdem konnte ich mich wiederholt davon überzeugen, daß er gegebenenfalls auch das Herz sprechen lassen kann. Aber leider hat er einen wahnsinnigen Ehrgeiz, oder besser gesagt, der Ehrgeiz hat ihn und treibt ihn dazu, niemanden aufkommen zu lassen, von dem er im geringsten befürchtet, daß er ihn selbst einmal in den Schatten stellen könnte.”
Hermann Oberth, 1952 an Wernher von Braun:
“Ich glaube, eine Aussprache zwischen uns hätte vielleicht vieles geklärt (…) Denn ich will Ihnen offen gestehen, daß ich bisher glaubte, Sie hätten auch viel Schuld daran, daß so viele tüchtige Kräfte (wie Sänger, Pöhlmann, Janzon, Wiemer und schließlich auch ich selbst), die der Raketensache viel hätten nützen können, teils überhaupt nicht an die Arbeit herangelassen, teils auf ein totes Gleis geschoben wurden. (…) Ihr Verhalten in letzter Zeit und auch die Entwicklung der Dinge läßt es aber nun angebracht erscheinen, dies Urteil zu revidieren (…) Ich würde mich daher aufrichtig freuen, wenn mein Argwohn nicht zutreffen, und wenn Herr Gerhards (…) mit seiner Behauptung Recht behalten sollte, daß ich Ihnen leider Unrecht getan habe.”
Wernher von Braun, 1974 an Hermann Oberth:
“Du weißt, daß diese beiden Bücher (Die Rakete zu den Planetenräumen und Wege zur Raumschiffahrt; Anm. d. Red.) und der Umstand daß ich als junger Student im Jahre 1930 für Dich arbeiten durfte, auch mir selbst den Leitstern meines Lebens gegeben haben.”
Persönliche Widmung von Hermann Oberth an Wernher von Braun in einem Exemplar von “Die Rakete zu den Planetenräumen”:
“Herrn Dr. W. v. Braun - dem genialen Organisator und Ingenieur, der den Gedanken der Weltraumfahrt zur Tat werden ließ, in Verehrung und Dankbarkeit! H. Oberth”
Aus der Ansprache von Jean Mialet, eines ehemaligen Häftlings des Konzentrationslagers Dora-Mittelbau, anlässlich des 50. Jahrestages der Einrichtung von Dora, 1993:
“… Es bleibtfestzuhalten, daß ohne die Verwirklichung dieses Programms zu ausschließlich militärischen Zwecken das menschliche Abenteuer der Raumfahrt nie so früh hätte anfangen können, vielleicht nie existiert hätte. Es mußten Milliarden von Reichsmark ausgegeben werden. In grausamer Weise straff wurde das Projekt umgesetzt, damit Ingenieure, die zweifelsohne genial waren wie etwa Wernher von Braun die V2 verwirklichen konnten. Diese grausame Waffe war aber auch direkter Vorfahr der Raketen, die den Sputnik auf seine Bahn schossen und später Männer auf den Mond brachten. …”
Professor Charles Sadron, französischer Häftling im Konzentrationslager Dora-Mittelbau über Wernher von Braun, 1947:
“Ich muß allerdings der Wahrheit die Ehre geben und sagen, daß ich einem Mann begegenet bin, der sich mir gegenüber fast großzügig verhielt. Die Rede ist von Professor von Braun, einem der Mitglieder des technischen Stabes, der die Lufttorpedos entwickelt hatte. Von Braun hat mich in der Werkstatt besucht. Er ist ein sehr germanisch aussehender junger Mann, der ausgezeichnet französisch spricht. Er drückt mir in höflichen und wohlgesetzten Worten sein Bedauern darüber aus, daß ein französischer Professor sich in einem solchen Elend befindet, und schlägt mir vor, in seinem Labor zu arbeiten. Ich lehne das Angebot schroff ab. Von Braun entschuldigt sich und entfernt sich lächelnd. Ich sollte später erfahren, daß er trotz meiner Ablehnung mehrmals versucht hat, mein Schicksal zu erleichtern - allerdings ohne Erfolg.”
Aus einem Erlebnisbericht des Dora-Häftlings Adam Cabala:
“… Mit den organisatorischen Angelegenheiten befaßt sich in Dora der Direktor Sawadski. Er trug die Verantwortung für den Bau der unterirdischen Gänge. Er nahm die Häftlingskolonnen aus Buchenwald in Empfang, schickte die Kadavertransporte nach Buchenwald ins Krematorium, ihm oblag alles, außer der Forschungsarbeit und der Produktion. Aber auch die deutschen Wissenschaftler mit Prof. Wernher von Braun an der Spitze sahen alles täglich mit an. Wenn sie die Gänge entlang gingen, sahen sie die Schufterei der Häftlinge, ihre mühselige Arbeit und ihre Qual. … Auf einer kleinen Fläche neben der Ambulanzbude lagen tagtäglich die Häftlinge, die das Arbeitsjoch und der Terror der rachsüchtigen Aufseher zu Tode gequält hatten. Die menschlichen Leichname sahen von weitem wie eine große Masse aus. Aber Prof. Wernher von Braun ging daran vorbei, so nahe, daß er die Leichen fast berührte. Sollte dieser Anblick nicht den geringsten Eindruck auf ihn gemacht haben? …”
Wernher von Braun über das Konzentrationslager Dora-Mittelbau, 1969:
“Es war für mich natürlich jedesmal ein außerordentlich deprimierender Eindruck, wenn ich in das unterirdische Werk hineingehen und dort die Häftlinge bei der Arbeit sehen mußte. … Sehr viele dieser Häftlinge befanden sich in einem furchtbaren Ernährungszustand. Ich will und darf das in keiner Weise bestreiten. … Später waren die Lager überfüllt, von Krankheiten verseucht - besonders in den letzten Kriegsmonaten. Diese Hungergestalten lasteten schwer auf der Seele jedes anständigen Mannes Ich kann es nicht leugnen. … Am Ende des Krieges hat die SS zweifellos die Häftlinge ganz bewußt dem Hungertod preisgegeben. …”
Michael J. Neufeld, Raumfahrthistoriker, National Air and Space Museum, Washington D.C.:
“In einem halben Jahrtausend werden die Menschen vielleicht nur noch wenig über das 20. Jahrhundert wissen, mit Ausnahme der Atombombe, des industrialisierten Massenmords, der Entdeckung der globalen Erwärmung, der Entwicklung von Computernetzwerken, des Motorflugs und der ersten Schritte im Weltraum. Angenommen, wir haben die Erde bis dahin nicht ruiniert, könnte es, evolutionär gesehen, zu den bedeutendsten Dingen gehören, die Wiege des irdischen Lebens verlassen und im Weltraum Fuß gefasst zu haben. Insofern verdient es Wernher von Braun, als einer der zukunftsweisenden Ingenieure und Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts in Erinnerung zu bleiben. Sein Leben ist gleichzeitig ein Symbol für die Versuchungen von Ingenieuren und Wissenschaftlern in jenem Jahrhundert und darüber hinaus … Wernher von Braun war wirklich der Faust des 20. Jahrhunderts.”
US-Satiriker Tom Lehrer in beißendem Spott über Wernher von Braun:
“Don’t say that he’s hypocritical, say rather that he’s apolitical. - Once the rockets are up, who cares where they come down? - That’s not my department, says Wernher von Braun.”
Apollo-11-Astronaut Michael Collins:
“Wernher von Braun was a study in contrasts. He was, at the same time, a visionary and a pragmatist, a technologist and a humanist.”